Hamburg und ich hatten keinen Liebesvertrag unterschrieben. Eher so etwas wie eine höfliche Verabredung, die ich aus Respekt vor all den Stimmen annahm, die mir seit Jahren zuraunten: „Das musst du einmal erlebt haben.“ Der weltgrößte Triathlon gemessen an der Teilnehmerzahl, die Alster als Bühne, City-Feeling, Menschenmassen, Gänsehaut am Zielbogen – die Litanei klang überzeugend. Und trotzdem fuhr ich mit einem Rest Skepsis los. Ich bin kein Feind großer Veranstaltungen, aber ich mag es, wenn Wettkämpfe atmen können, wenn sich Strecke und Starterzahl einigermaßen die Hand geben. In Hamburg, so hatte ich gehört, nimmt der Tag die Dimensionen eines Volksfestes an, Triathlon als Innenstadt-Oper mit permanentem Crescendo. Vielleicht war es genau diese Ambivalenz, die mich am Ende angemeldet hat: Neugier schlägt Abneigung, und ein bisschen Eitelkeit mischt sich dazu. Wer mitreden will, sollte mitgelaufen sein – oder in diesem Fall: mitgeschwommen, mitgeradelt, mitgelaufen.
Anreise in eine Stadt, die schon feiert, bevor ich schwitze
Die Reise begann unglamourös: zu später Zeitpunkt ein Hotel suchen, während halb Hamburg den „Schlagermove“ plant, ist ungefähr so klug wie an Heiligabend Last-Minute-Geschenke besorgen. Ich fand schließlich ein Partnerhotel des Veranstalters, das mit Wettkampfpaketen warb und einer Einrichtung, die irgendwo zwischen Sporthallen-Design und Boutique-Hotel pendelte. Jedes Zimmer hatte diesen subtilen „Indoor-Sportplatz“-Charme, als würde gleich jemand eine Linie auf dem Teppich zur Sprintbahn umfunktionieren. Nett, originell, aber vor allem: verfügbar. Dass es in einem Randgebiet lag und die Strecke zum Start sich wie eine kleine Expedition anfühlte, merkte ich erst, als ich einmal quer durch die Stadt fahren musste. Hamburg ist wunderschön – aber die Schönheit hilft nur bedingt, wenn man die halbe Logistik des Wettkampfs im Kopf jongliert und gleichzeitig nach Abkürzungen sucht, die es nicht gibt.
Am nächsten Tag stand das Abholen der Startunterlagen an. Ich nahm diese Gelegenheit bewusst als Generalprobe: die Bahnverbindung testen, Umstiege prüfen, schauen, wie viel Puffer ich brauche. Natürlich, wie sollte es anders sein, wurden irgendwo Gleise erneuert, also nochmal raus aus der U-Bahn, einmal über die Straße, ein Zusatz-Umstieg, der die Routine bricht. Es war kein Drama, aber die stille Erinnerung daran, dass Großveranstaltungen selten synchron mit Städteinfrastruktur tanzen. Die Startunterlagen selbst – routiniert organisiert. Armband, Startnummern, Zeitnahmechip, Aufkleber fürs Rad, Beutel für die Wechselzone. Das übliche Paket, das sich anfühlt wie das Ticket zu einer Party, vor der man leise Respekt hat.
Die eigene Pasta-Party am Vorabend machte ich im Vapiano, was fast gleichzeitig die offizielle Pasta-Party des Veranstalters beherbergte. Das war einerseits komisch – Triathleten überall, Nudeln, Wasserflaschen, die energiegeladenen Gespräche über Wattzahlen, Schwimmzüge, Zustiegspunkte zur Wechselzone –, andererseits beruhigend. Es gibt etwas Tröstliches daran, am Vorabend eines Wettkampfs unter Gleichgesinnten zu sein. Nicht, weil man sich gegenseitig Mut zuspricht, sondern weil die Nervosität sich kollektiv verdünnt. Alle sind ein bisschen angespannt, jeder sortiert sein Ritual, und zwischendrin ist Platz für ein Lächeln, das sagt: Wir wissen, warum wir uns das antun.
Morgenkälte, Leberwurst und die erste Portion Demut
Der Wettkampfmorgen begann mit einem leichten Frühstück. Ich bin da pragmatisch: lieber Sicherheit im Magen als Experimente. Ein anderer Athlet neben mir aß tatsächlich Leberwurstbrötchen, als ginge es gleich auf eine Baustelle und nicht ins Wasser – ich bewundere solche Mägen und fürchte sie zugleich. Der Weg ins Zentrum, Rad unterm Körper, Luft noch kühl, Hände ein wenig klamm – das war der erste Moment, an dem sich das Event wie Event anfühlte. Absperrungen, Helferwesten, Schilder, Lautsprecheransagen; eine Stadt, die an diesem Morgen den Triathleten gehört, obwohl natürlich die Stadtbewohner ihrem Alltag nachgehen. Diese Überlagerung ist der Kern solcher Rennen: Du tauchst mit deinem Mikrokosmos in den Makrokosmos einer Stadt ein und hoffst, dass beide genügend Toleranz füreinander haben.
In der Wechselzone lernte ich den ersten Unterschied zwischen „groß“ und „sehr groß“. In kleineren Wettkämpfen ist der Blick auf den Radständer ein kurzer; hier war es ein Spaziergang. Geschätzt 6.000 Stellplätze, mehrreihig, nummeriert. Die Logik der Ordnung ist immer da, aber die Menge frisst trotzdem Orientierung. Ich fand meinen Platz, legte Helm, Brille, Schuhe, Riegel, Gels, Startnummer, all das in seiner kleinen Choreografie aus, an die ich mich später erinnern würde, wenn der Puls höher ist als die Aufmerksamkeit. Neben meinem Edelstahl der Routine stand die Realität: Platzmangel. Die Postwannen, die für die Klamotten gedacht waren, lagen im Weg oder wurden von manch einem etwas zu kreativ „umdekoriert“, um sich ein paar Zentimeter mehr Fläche zu verschaffen. Ich will niemandem Böses unterstellen – aber Fairness hat, wie Ordnung, ein feines Sensorium. Man merkt, ob sich jemand Platz nimmt oder Platz macht.
Der Gang zum Wasserstart führte durch einen kleinen U-Bahn-Tunnel; das hatte etwas Surreales. Dieser Wechsel von Neonlicht zu Tageslicht, von Beton zu Wasser, von Laufschuh zu Neopren – Triathlon ist ein Sport der Übergänge, und Hamburg demonstriert das mit Stadtarchitektur. Am Beckenrand das übliche Bild: Leute helfen sich beim Schließen der Neos, andere schütteln die Arme aus, wieder andere starren still auf die Wasseroberfläche, als könnten sie aus ihr herauslesen, wie der Tag verlaufen wird. Ich bin kein großer Wasserphilosoph, aber ich mag den Moment, in dem der Reißverschluss schließt: Es ist wie das Anlegen einer Rüstung, nur ohne Aggression.
Schwimmen in der Alster – Rhythmus suchen, Orientierung finden
Hamburg startet traditionell aus dem Wasser heraus. Ich glitt rein, ließ die Kälte kurz bis zum Rücken kriechen, atmete bewusst aus, tauchte den Kopf, hob ihn wieder, suchte einen Punkt an der Brücke. Die ersten Züge fühlten sich an wie immer, wenn es voll ist: zu viele Arme, zu wenig Platz, das eigene Tempo verschluckt vom Tempo der anderen. Ich wechselte – wie so oft – phasenweise ins Brustschwimmen, vor allem zur Orientierung. Nicht die schnellste, aber die nervenschonendste Option, wenn du nicht in die Linie der Bojen eingebunden bist, sondern improvisierst. Überraschenderweise überholte ich einige aus früheren Startgruppen, erkennbar an den andersfarbigen Badekappen. Das gibt Selbstbewusstsein und ist gleichzeitig kein wirklicher Maßstab – Startgruppe, Wellen, individuelle Tagesform, das verschiebt sich wie Dünung.
Der Alster hat zwei Gesichter: an manchen Stellen glatt und freundlich, dann wieder krisselig, kleine Querströmungen, die ich nicht wirklich erwarten würde, aber spüre. Ich blieb ruhig, suchte Takt: drei Züge, Blick, drei Züge, Blick. Nach einer Weile war der Rhythmus da, nicht elegant, aber solide. Ich habe gelernt, dass man in solchen Feldern nur zwei Dinge kontrolliert: die eigene Atmung und die Weichheit in den Schultern. Je härter ich werde, desto härter wird das Wasser. Als der Ausstieg in Sicht kam, setzten die Beine den ersten Landimpuls, noch im Wasser schaltete der Kopf um: Brille hoch, Reißverschluss greifen, abstellen, nicht eilen, nicht trödeln. Die Treppe rauf, der Körper halb Fisch, halb Läufer – und dann die lange Gasse Richtung Wechselzone, die sich anfühlt wie eine Vorschau auf den Lauf.
T1 – die Choreografie der kleinen Handgriffe
Die erste Wechselzone war ein Lehrstück in Logistik. Der Weg vom Schwimmausstieg bis zum Rad war lang genug, um die Atmung zu sortieren, und kurz genug, um keine Zeit zu verlieren. In diesem Korridor lebt das Publikum dicht an deinem Tunnelblick. Du hörst die Rufe, aber du siehst sie nicht. Helm auf, Brille, Startnummer, Riegel irgendwo verstauen, ein Schluck aus der Flasche, die Schuhe entweder am Rad lassen oder anziehen – ich entschied mich fürs Anziehen, weil ich das Aufspringen und Einrasten noch nicht so elegant kann, wie ich es mir wünschen würde. Ich war nicht langsam, aber auch nicht schnell; es war dieses saubere, routinierte Tempo, das Triathleten kennen: Alles passiert zügig, ohne Hektik, weil Hektik Fehler produziert.
Radfahren in der Großstadt – drei Runden, viel Kulisse, noch mehr Konzentration
Die Radstrecke war das, was viele mir versprochen hatten: Hamburg zeigt sich. Breite Straßen, Brücken, Wasserblicke, Passagen, die man aus Postkarten kennt. Und doch blieb mein Blick häufig da, wo er sein musste: auf den Athleten vor mir und neben mir, auf den Fahrbahnrand, auf die Ein- und Ausfädelzonen. Drei Runden – das ist attraktiv für Zuschauer und anspruchsvoll für die Konzentration. Jede Runde ist Wiederholung und Variation. Man kennt die Schlaglöcher ab Runde zwei, man kennt die Engstellen, aber die menschliche Variable bleibt: Andere Geschwindigkeiten, andere Linien, andere Fehler. Ich hatte Glück: keine Defekte, keine Kettenakrobatik. Aber ich sah viele am Rand stehen, Vorderrad in der Hand, CO₂-Kartusche zitternd zwischen den Fingern. Platten sind an solchen Tagen demokratisch.
Windschattenfahren ist verboten, die Realität versucht es dennoch: In großen Feldern in der Innenstadt ist Abstandsdisziplin ein tägliches Ringen. Ich versuchte, sauber zu fahren, den 10–12-Meter-Abstand respektieren – und zu akzeptieren, dass das nicht immer geht, ohne vom Gas zu gehen. Die Marschälle taten, was sie konnten, Pfiffe, Gesten, aber sie können das Meer nicht teilen. Es ist der einzige Moment, an dem ich innerlich gegen die Größe des Events grummele: Regel und Wirklichkeit warten manchmal auf eine Ampel, die nicht kommt.
An der Einfahrt zur Wechselzone war Aufmerksamkeit gefragt. Es ist der Punkt, an dem Konzentration abflacht, weil der Kopf schon beim Laufen ist. Vor mir versuchte ein Athlet das elegante Ausklicken im Rollen, hakte, verhedderte sich, und flog über den Lenker. Dieser Sturz war hässlich. Er stand auf – Adrenalin ist ein zuverlässiger Ersthelfer – und lief das Rad in die Wechselzone, aber es war ein hartes Bild. Ich nahm es als Mahnung, fuhr bewusst langsamer in die Linie, stieg ab, nahm die lange Strecke auf Cleats in Kauf. Lieber drei Sekunden verlieren als drei Monate.
T2 – kurzer Atem, lange Hände
Der zweite Wechsel war das Konzentrat des ersten: Rad einhängen, Helm ab, Laufschuhe an, Mütze, wenn die Sonne knallt (tat sie), einmal tief ausatmen, los. Laufen nach dem Rad ist immer eine Wette gegen die eigenen Waden. Sie beschweren sich, und man muss sie überzeugen, dass das so gehört. Ich nehme mir in diesen ersten 500 Metern das Recht, nicht auf die Uhr zu schauen. Tempogefühl findet später statt, jetzt zählt die Weichheit im Schritt und die Ökonomie in den Armen.
Laufen entlang der Alster – überraschend leicht, überraschend voll
Die Laufstrecke rund um die Alster und durch die Innenstadt ist, in einem Wort, großartig. Viel Publikum, viel Kulisse, viele Helfer. Der Asphalt ist fair, die Strecke wellig genug, um nicht langweilig zu werden, aber nicht so, dass sie dich bricht. Die zehn Kilometer fühlten sich an, als hätte das Radfahren mir die Beine warmmassiert, nicht erschöpft. Es war keine Rekordjagd, aber dieses Gefühl, „locker durchzukommen“, ist im Wettkampf selten, und ich hielt es fest, so gut ich konnte. An den Verpflegungsstellen nahm ich Wasser – eins in den Mund, eins über den Kopf, die klassische Methode, die mehr Psychologie ist als Physik, aber wirken darf, solange sie nicht klebt.
Hamburg kann laut sein. Da ist dieses Band aus Rufen, Klatschen, Schritten, Pfeifen, Musik – und du läufst mit deiner eigenen Stille mittendurch. Das ist der Moment, an dem sich das Event in ein persönliches Erlebnis faltet. Es ist überfüllt, ja. An manchen Passagen muss man zirkeln, sich einscheren, wieder raus. Aber da ist auch die City, die sich anfühlt, als würde sie dich einen Moment tragen.
Zielbogen, Tribünen, Medaille – und die zwei Sekunden, die bleiben
Der Zieleinlauf ist ein kleines Stadion, Tribünen, Banner, Bögen. Ein Ort, der für ein paar Stunden mehr Pathos trägt, als gewöhnlich Stadtraum erlaubt. Man läuft unter diesem Bogen durch, als würde man eine Linie überschreiten, die man die letzten Wochen täglich gezogen hat, ohne sie zu sehen. Die Medaille um den Hals, die Zielverpflegung in der Hand – Wasser, irgendwas Isotonisches, ein Riegel – und dann dieser kurze Moment, in dem das System runterfährt. Es ist nie lang, aber es ist wichtig. Zwei Sekunden, vielleicht drei, in denen du die Stadt hörst, die Menschen, das eigene Herz – und alles zusammensackt zu einem Satz: „War gut.“
Hinter den Kulissen – die Dinge, über die keiner redet, die aber zählen
Große Rennen sind Logistik. Und Logistik ist selten glamourös. Die Wechselzone ist eng, die Gänge sind eng, die Wege sind lang. Was ich mitnehme: Markierungen helfen wirklich – nicht nur die offiziellen. Ein auffälliges Band an der Stange, ein Farbfleck an der Kiste, irgendwas, das dem müden Gehirn ein „hier“ zuwirft. Ich nehme auch mit, dass späte Startblöcke zwar angenehmer sind (kein 5:30-Uhr-Alsterbad), aber bei Hitze mehr Tribut fordern. Dass Leberwurstbrötchen vor dem Start entweder Genie oder Wahnsinn sind. Dass große Veranstaltungen eine hohe Toleranzschwelle für Unordnung brauchen – und dass man selbst dazu beiträgt, ob die Kippe der Waage in Richtung „es passt“ oder „es kippt“ zeigt.
Was ich ebenfalls mitnehme: Die Radschuhe nicht am Rad zu lassen, war in Hamburg für mich klüger, auch wenn es drei Sekunden kostete. Der entgleiste Abstieg vor mir hat mich auf eine Weise „belehrt“, die ich niemandem wünsche. Außerdem habe ich meine Erwartung an Tempodisziplin relativiert. In solchen Feldern wird die perfekte Umsetzung des Regelwerks zur Idee, nicht zur Realität – und man navigiert Zwischenräume, ohne die Prinzipien zu vergessen.
Was Hamburg groß macht – und was mich klein werden ließ
Hamburg ist beeindruckend. Der Kurs, die Organisation, die Helfer, die Atmosphäre. Die Stadt eignet sich, weil sie Bühne kann. Wenn man die Alster entlangläuft und an den Brücken die Gesichter verschwimmen, dann versteht man, warum Menschen hierherpilgern. Und doch: Es war mir zu voll. Zu viele Startgruppen, zu wenig Luft zwischen den Wellen, zu wenig Platz in der Wechselzone. Ich merkte deutlich, wie der Veranstalter versucht, die große Nachfrage auf gleicher Fläche zu bündeln – kaufmännisch nachvollziehbar, sportlich ambivalent. Die Folge ist eine Dichte, die aus der Ferne beeindruckt und aus der Nähe anstrengend wird.
Ich sage das ohne Vorwurf. Ich habe das Event nicht erfunden, ich habe mich gemeldet, ich habe mitgespielt. Ich bin froh, dabei gewesen zu sein. Aber ich spüre, dass ich solche Tage nicht brauche, um Triathlon zu lieben. Ich mag das Format, das atmen kann – nicht mit 300 Startern auf Waldwegen (auch das hat seinen Reiz), aber eben auch nicht mit 11.000 Athleten, die in dichten Taktungen die Stadt teilen. Vielleicht bin ich eigen. Vielleicht ist es eine Frage des Lebensalters im Sport. Vielleicht auch nur eine Momentaufnahme.
Vor dem Start und danach – diese kleinen Rituale, die tragen
Es gibt Dinge, die mir geholfen haben und die ich in Hamburg bewusst schärfer gesehen habe. Der Abend vorher: nicht zu spät essen, nicht zu viel, nichts, was die Verdauung in den Mittelpunkt zieht. Der Morgen: packen, bevor ich frühstücke; Trinkflaschen befüllen, Riegel abkleben, die Startnummer anlegen, dann erst essen. In der Wechselzone: einmal laut die Reihenfolge aussprechen, Hände hinlegen, als würde ich eine Choreografie lernen. Vor dem Wasserstart: den Neo so schließen, dass ich die Schultern wirklich frei habe – und jemanden suchen, der nicht nur zieht, sondern auch fühlt, ob der Sitz passt. Auf dem Rad: Pedaltritt runder denken als ziehen, Trittfrequenz hoch halten, die ersten fünf Kilometer nichts Heldisches. Beim Laufen: die ersten 600 Meter nur atmen und Arme locker; erst danach Tempo bewerten.
Nach dem Ziel: erst trinken, dann setzen, dann essen. Nie andersrum. Der Körper ist dankbar, wenn ich ihn nicht in die Reihenfolge zwinge, die meinem Kopf im ersten Hoch einfällt. Und noch etwas: den Moment wirklich nehmen. Nicht gleich in die App stürzen, nicht sofort die Zeit checken, nicht sofort vergleichen. Zwei tiefe Atemzüge, Herzschlag fühlen, gucken. Danach darf das Handy wieder die Welt sein.
Ein Wort zum Vergleich – und zur Frage „Nochmal?“
Ich habe den Vergleich nicht gesucht, aber er kommt natürlich automatisch: kleinere Rennen vs. Hamburg. Beide Welten haben ihre Berechtigung. Hamburg ist Spektakel, Postkarte, Gänsehaut; die kleineren sind Nähe, Ruhe, Handwerk. Ich habe das Gefühl, dass ich in Hamburg vor allem Zuschauer meiner eigenen Leistung war – eingebunden in den großen Strom, der einen trägt, auch wenn man nicht in Bestzeit läuft. Das ist charmant. Es hat etwas von Marathon in der Großstadt: Man ist Teil eines Bildes, das größer ist als man selbst.
Ob ich wiederkomme? Vermutlich nicht so schnell. Nicht, weil ich es nicht mochte, sondern weil ich es erlebt habe. Ich habe meinen Haken gesetzt hinter „größter Triathlon der Welt“. Ich bin dankbar für den Morgenkälte-Schreck, die Alsterzüge, die drei Radrunden mit Kulisse, die Zehn-Kilometer-Leichtigkeit, den Zielbogen. Ich bin dankbar für die Helfer, die mit einer Geduld ausgestattet scheinen, die ich gerne öfter hätte. Ich bin dankbar für die Stadt, die uns Raum gegeben hat, obwohl sie eigentlich anderes zu tun hat. Und ich bin dankbar für das kleine, private Fazit, das aus solchen Tagen wächst: Man darf Dinge bewundern, ohne sie zu heiraten.
Nachklang – was bleibt, wenn die Medaille in der Schublade liegt
Die Tage nach Hamburg hatten diesen leichten Muskelkater, der eher Erinnerung ist als Schmerz. Ich blätterte durch die Bilder im Kopf und stellte fest, dass die schönsten nicht unbedingt die lauten waren. Der U-Bahn-Tunnel vor dem Start. Der Neonstreifen auf dem Wasser, als die Sonne für eine Minute aussah, als würde sie selbst mitmachen. Das rhythmische Klicken der Pedale um mich herum, wenn eine Gruppe gleichzeitig eine Welle erwischt. Die halbe Banane in meiner Hand, die ich vor dem Laufen aß, und die ehrlich gesagt besser schmeckte als die Zielverpflegung. Das kurze, stumme Nicken zwischen zwei fremden Athleten im Zielkorridor, das sagt: „Wir waren heute beide viele Dinge – erschöpft, froh, erleichtert, unsicher – und jetzt sind wir vor allem eins: fertig.“
Hamburg, der Triathlon, das Gedränge, das Staunen – es war ein ganzer Tag, dicht gepackt, fein geschnitten, laut und leise zugleich. Ich bin froh, dass ich gefahren bin, dass ich hinabgetaucht bin in eine Stadt, die sich einen halben Sonntag lang den Triathlon geliehen hat. Ich bin froh, dass ich mir meine Skepsis bewahrt und trotzdem den Mut genommen habe, mitzumachen. Und ich bin froh zu wissen, was mir im Sport wichtig ist: dass das Format mich trägt und ich es atmen lassen kann. Hamburg hat mich getragen. Und ich lasse es jetzt atmen, indem ich es loslasse – mit einem Lächeln für den Moment unter dem Zielbogen und einem stillen Danke an all das, was an diesem Tag zusammenpasste, obwohl so vieles eigentlich zu viel war.